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Mittwoch, 30. Dezember 2009

Kuji (九字印) – Neun mystische Gesten

Diese Handgesten, von den alten Indern auch mudra genannt, sind in Japan unter dem Begriff inkei o musubu bekannt und werden auch als die „Gesten der Neun Silben“ bezeichnet. Interessanterweise hat fast jede Kultur im Laufe der Geschichte ganzunterschiedliche Ansätze und Interpretationen von Handgesten überliefert. Der Gebrauch derartiger Gesten ist somit nicht auf Japan oder Indien beschränkt, sondern weltweit auf die eine oder andere Art und Weise bekannt.
In Europa wurden diese Gesten im Zusammenhang mit der Kampfkunst durch die ersten Ninja-Filme bekannt, speziell durch den Film „Enter the Ninja, 1981“ mit Franco Nero in der Hauptrolle.

Die kuji Szene:



Wenn diese Handgesten richtig und von einem Meister ausgeführt werden, wird der Wille eins, alle weltlichen Gedanken fallen von einem ab und das Selbst wird ausgelöscht. Es besteht ein feiner Unterschied zwischen dem vergessen (boga) des Selbst und dem auslöschen (muga) des Selbst. Das Vergessen des Selbst kann als Beginn der Auslöschung betrachtet werden. Jemand der mit abwesendem Blick leer ins Nichts starrt, so als bade er in den Strahlen des Sonnenlichts ist ein gutes Beispiel für das Vergessen des Selbst. Unterstützend wirkt das zu jedem kuji gehörende mantra, das während der Ausführung der Geste rezitiert wird.
Die kuji sind ein guter Weg um den Zustand des muga willentlich zu erlangen. Jedoch ist das Beschreiten dieses Weges ein harter und trainingsreicher Pfad.
Etwas weltlicher betrachtet sind diese Gesten eine hervorragende Übung um die Muskeln und Gelenke vor dem Training auf schnelle und effektive Art und Weise warm und geschmeidig zu machen. Ich empfehle diese Übung vor jedem training auszuführen. Durch ständige Wiederholung werden die Gesten bald fast automatisch ablaufen und man kann beginnen sich mit den metaphysischen Implikationen dieser Art des „Hand Yoga“ auseinander zu setzen. Die Verbindung der Gesten, dem dabei auftretenden Körperempfinden und der Körperwahrnehmung und der damit assoziierten philosophischen und metaphysischen Konzepte verändern den Übenden.

Rin (臨)


Mantra an Tamonten: On baishiraman taya sowaka

Kyo (兵)


Mantra an Gozanze Yasha Myo-o: On isha naya in tara ya sowaka

Toh (闘)


Mantra an Jikokuten: On jireta rashi itara jiba ratano sowaka

Sha (者)


Mantra an Kongo Yasha Myo-o: On haya baishiraman taya sowaka

Kai (皆)


Mantra an Fudo Myo-o: On nomaku sanmanda basaradan kan

Jin (陣)


Mantra an Gundari Yasha Myo-o: On aga naya in maya sowaka

Retsu (列)


Mantra an Komokuten: On hirota ki shanoga jiba tai sowaka

Zai (在)


Mantra an Daiitoku Myo-o: On chirichi iba rotaya sowaka

Zen (前)


Mantra an Zochoten: On a ra ba sha no sowaka

Die vier mantra werden an bestimmte „Gottheiten“ gerichtet.
An die vier shitenno 四天王, die vier himmlischen Könige:
Kōmokuten 広目天 – König des Westens
Zōchōten 増長天 – König des Südens
Tamonten 多門天 – König des Nordens
Jikokuten 持国天 – König des Ostens

Sowie die fünf großen Könige des mystischen Wissens (Godai Myō-ō 五大明王)
Fudo Myo-o 不動明王, Mitte
Gozanze Yasha Myo-o 降三世明王, Osten
Gundari Yasha Myo-o 軍荼利明王, Süden
Daiitoku Myo-o 大威徳明王, Westen
Kongo Yasha Myo-o 金剛夜叉明王, Norden


Die mit dem kuji verwandte Praktik mit dem Finger oder mit einem Pinsel auf Papier neun Linien oder “Schnitte” – abwechselnd fünf horizontal und vier vertikal – in die Luft oder auf die Handfläche zu ziehen wird kiji-kiri (九字切り) genannt (neun Silben-Schnitte). Im japanischen Volksglauben und der damit verbundenen „Magie“ onmyodo werden diese neun Schnitte oft über einem Text oder einem Bild gezogen um so die Kontrolle über das dargestellte Objekt oder Konzept bzw. Bild zu erlangen. Ein Seemann der vor dem Ertrinken bzw. Untergehen geschützt werden möchte mag die Schnitte über dem kanji für „Meer“ oder „Wasser“ ziehen.
Natürlich können auch genji-mon oder andere Symbole wie z.B. archaische kanji benutzt werden.


Welche Vielzahl an Variationen sich bietet zeigt diese Abbildung:
Die 64 Arten das Symbol shou mit der Bedeutung „Langes Leben“ zu zeichnen.




Die neun Linien in der Zugfolge und der Zuordnung der mudra.



 Ein kanji auf das Muster gesetzt.


Normalerweise wird das to-in oder chiken-no Symbol mit dem rechten Zeigefinger auf die linke Handfläche gezeichnet und die neun Linien werden darüber gezogen und besiegelt den Spruch mit einem weiteren Symbol.
Oft wurde lediglich ein Strich gezogen und das wirklich gemeinte kanji nicht „offen“ gezeigt um so zu verhindern, das Fremde erfuhren welches Symbol man verwendet hatte. Lediglich im Moment des Ziehens wurde das kanji imaginiert und der Strich blieb als Schatten zurück.

Das Symbol der ehemaligen Kaiserlich Japanischen Armee wurde angeblich nach dem kuji Stern gestaltet.



Ein yari mit eingravierten kiji-kiri